Ein Wochenendausflug

 

Durch andere Berichte wurde vielleicht schon ersichtlich, wie unser Alltag im Heim aussehen kann. Wie dieser dann in der Realität wirklich ist, ist sowieso nochmal ein anderes Thema, welches jeder nur für sich selbst herausfinden kann. Doch wie sieht es an den Wochenenden aus? Im Rhythmus von etwa allen zwei Wochen gibt es in den einzelnen Wohngruppen Ausflüge zu den verschiedensten Zielen. Das kommt etwa auf das verfügbare Budget an, das Wetter, doch vor allem auch auf das Engagement von Erzieher und Freiwilligen und natürlich auch auf die Jungs der Wohngruppe. So geht es dann zum Beispiel auf den Fußballplatz, in Parks, die Innenstadt oder Museen. Ich möchte euch heute jedoch von einem Ausflug erzählen, der mir sehr besonders in Erinnerung geblieben ist. Dank für diesen Ausflug geht auf jeden Fall an die Erzieherin Patty, welche die Idee hatte und dann auch für die Umsetzung gesorgt hat. Wir waren erst mal bestimmt 1 ½ - 2 Stunden im Bus unterwegs – eine normale Distanz hier. Vom kalten und windigem Süden Quitos ging es in die Wärme und den Sonnenschein Sangolquis. Hier mussten wir dann nochmal umsteigen und haben dann ein Pick-Up Taxi genommen. Busse fuhren die Straße nicht weiter entlang. Mit den Jungs bin ich hinten auf der Ladefläche gefahren, Patty vorne beim Fahrer. Die ganze Wegbeschreibung hatten wir übrigens auf TikTok gefunden. Ohne diese wären wir wahrscheinlich nie angekommen.

 

Nach langer Anreise waren wir endlich am Ziel, wir wollten zu einen der zahlreichen Wasserfälle der Region. Wir waren gerade dabei von der Ladefläche zu springen, als schon eine Wärterin auf uns zu kam und meinte, dass heute kein Einlass mehr wäre – na super. Sie empfahl uns einfach zu einem anderen Wasserfall zu fahren, es gäbe ja schließlich genug. Wir fragten also unseren Fahrer, ob er noch einen kennen würde und er sagte zum Glück ja. So ging die Fahrt weiter und 20 Minuten später kamen wir dann endgültig an. Hier wurde uns jedoch gesagt, dass wir für die Tour einen Guide brauchen würden. Patty und ich fingen erstmal damit an, den Preis runterzuhandeln, denn der war nicht mit in der Kostenberechnung drin. Wir erreichten den Tiefpreis und Patty und ich teilten uns die Gebühr, um den Jungs den Ausflug zu ermöglichen. Dann hieß es alles Überflüssige dazulassen, wir würden nämlich nass bis auf die Knochen werden.

 

Wir liefen los und die meisten Jungs rannten voraus, an sowas haben sie Spaß. Um nicht der Spielverderber zu sein aber auch alle im Auge zu behalten rannte ich mit den Jungs ein Stück vor. Es wurde recht schnell ersichtlich, dass ein Mitglied der Truppe immer schneller schlapp machte, was die anderen Jungs nervte. Moralapelle an die Gruppe haben nichts gebracht und so kam kurz vor dem Flusseinstieg das Unausweichliche. Der Junge setzte sich auf den Boden und blockierte komplett. Alle versuchten auf ihn einzusprechen, doch mir war schon klar, dass das nichts bringt. Sowas baut nur noch mehr Druck bei ihm auf. So musste ich also fast in den Genuss der unvorteilhaften Seiten des Freiwilligendienstes kommen. Natürlich muss man eigene Bedürfnisse und Wünsche zurückstellen und so sollte ich erst noch bei dem Jungen bleiben, ihm noch ein paar Minuten geben, während die anderen schon weiterzogen. Wenn er dann immer noch WhatsApp Image 2024-01-02 at 14.19.13.jpegnicht wollte, sollte ich mit ihm zurückgehen. So saß ich also dort und versuchte ein Gespräch anzufangen, jedoch wie zu erwarten ohne Erfolg. Ich überlegte und entschied mich meine letzte Karte auszuspielen, bevor ich zurückgehen würde. Ich müsste dem Jungen die eigene Entscheidungsfreiheit geben und genau das tat ich. Ich sagte ihm, dass ich nur kurz der Erzieherin Bescheid sagen würde, dass wir uns auf den Rückweg begeben würden. So ging ich los und hab die Hoffnung eigentlich schon verloren gehabt, als ich Schritte hinter mir hörte. Ich habe auf den Jungen gewartet, doch er hat mir signalisiert, dass er noch nicht reden möchte. Kurze Zeit später trafen wir bei den Anderen ein.

 

Jetzt begannen wir gemeinsam, den Fluss hochzulaufen. Die Jungs hatten Spaß im Wasser und kurze Zeit später kamen wir beim großen Wasserfall an, versteckt in einer Felsschlucht. Hier verweilten wir eine Zeit lang und begaben uns dann auf den abenteuerlustigen Teil des Weges. Es ging darum, den Wasserfall weiter hochzulaufen. Dafür waren Stufen im Felsen und ein Tau zur Hilfe befestigt. Wie prophezeit wurden wir alle komplett nass. Irgendwann kamen alle oben an und mussten nur noch „normal“ zurücklaufen. Der Junge, der vorher schlapp gemacht hat, lief jetzt energiegeladen allen voraus. Erschöpft und zufrieden machten wir uns alle auf den Heimweg und kamen in der Dunkelheit, nach einem spannenden und abenteuerreichen Tag wieder im Heim an.

 

Diesen Tag habe ich immer noch sehr gut in Erinnerung. Zum einen, weil er einfach so besonders war und zum anderen auch, weil ersichtlich wurde, wie schnell außergewöhnliche Situationen mit den Jungs entstehen können.

Luca